(500) Days of Summer | Filmszene. (2024)

"Boy meets girl". Die Standardformel zahlloser Liebesfilme. Mal komisch-romantisch, mal tragisch-dramatisch variieren sie seit Anbeginn der Filmgeschichte immer wieder das simple, aber zeitlose Motiv der Begegnung von zwei Menschen, die für einander bestimmt sind. "… oder auch nicht", werfen die Macher von "(500) Days of Summer" ein, denn ihre "Boy meets girl"-Geschichte stellt eben jene Basis in Frage, die ein herkömmlicher Liebesfilm für gewöhnlich als gegeben voraussetzt: Dass "Boy" und "Girl" sich nicht nur treffen, sondern sich auch beide ineinander verlieben. Und nicht bloß einer von beiden.

Es ist die Geschichte von Tom (Joseph Gordon-Levitt, "G.I. Joe") und Summer (Zooey Deschanel), und das hier nichts so läuft, wie gewohnt, wird gleich sofort zu Beginn des Films klar, als ein sonst ganz am Ende des Abspanns zu findender Hinweis - mit kurzer, aber bedeutender Erweiterung - an den Anfang gestellt wird: "Die Autoren weisen darauf hin, dass es sich bei dem folgenden Film um eine fiktive Geschichte handelt und jede Ähnlichkeit der handelnden Figuren mit realen, lebenden oder toten Personen rein zufällig ist. Besonders mit dir, Jenny Beckman. Schlampe."

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Und schon haben wir die nächste Variation der üblichen Genre-Pfade, denn die beiden männlichen Autoren dieses Films machen einen Geschlechtsgenossen (offensichtlich stellvertretend für sie selbst und ihre eigenen Erfahrungen) zum liebeskranken, romantisch-idealistischen Protagonisten ihrer Geschichte - und geben ihrem Tom damit genau die Rolle, die in diesen Filmen für gewöhnlich der Frau zugedacht ist. Und weil dieses bisschen Originalität jetzt noch nicht so besonders ist, werfen Neustadter und Weber auch noch die übliche, chronologische Erzählung über den Haufen.

Und das funktioniert ganz hervorragend, da sich ihr Thema schließlich auch dafür anbietet: Die titelgebenden 500 Tage beschreiben den Zeitraum zwischen der ersten Begegnung von Tom und Summer, über ihre Annäherung hin zu einer Beziehung (oder etwas, was Tom für eine Beziehung hält) bis zum Wieder-Auseinanderleben, gefolgt von Trennung und den üblichen Folgeerscheinungen: Unglaube, Wut, Depression, und das langsame Zurückfinden ins Leben.
Diese Geschichte einer ziemlich typischen Partnerschaft erzählt "(500) Days of Summer" in stetigen Sprüngen zurück und nach vorn, indem jeder Sequenz eine kurze Einblendung vorangestellt ist, an welchem der 500 Tage man sich gerade befindet. Man beginnt mit 488, springt dann zurück auf 1, und füllt dann nach und nach die Geschichte dazwischen auf.

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Das ist originell und abwechslungsreich, und weiß exakt dadurch auch von Anfang an zu begeistern und zu unterhalten. Vor allem aber ist es ziemlich mutig. Denn die beiden Autoren, die hier genau wie Regisseur Marc Webb ihr Langfilm-Debüt ablieferten, nehmen ihrer Geschichte von vornherein jedes echte Spannungspotential: Hier wird gleich zu Beginn sehr energisch postuliert, dass dies eben kein gängiger Liebesfilm ist, dass man das bitte schön auch nicht erwarten soll, und dass die beiden Menschen, denen man hier beim bezaubernden Kennenlernen zuschaut, am Ende nicht zusammen bleiben werden. Was heißt: Der Film kann einzig und allein von der Eleganz seiner Erzählung leben, von den treffsicher beobachteten Momenten und Augenblicken, in denen Verliebtheit, Begeisterung und gegenseitige Nähe entstehen, um im Anschluss dann wieder schleichend zu verschwinden. Nichts wird den Zuschauer hier ernstlich überraschen. Aber in allem kann sich das Publikum ganz persönlich wiederfinden. Zumindest, wenn man wenigstens irgendwann in seinem Leben mal (unglücklich) verliebt war.

Dass das hier so fabelhaft funktioniert, ist vor allem auch dem traumhaft agierenden Hauptdarsteller-Duo zu verdanken. Während in herkömmlichen romantischen Komödien einfach zwei möglichst gut aussehende Hollywood-Stars gegeneinander aufgestellt werden und sich beim Schauspiel gar nicht viel Mühe geben müssen, weil sowieso klar ist, dass ihre Figuren sich total toll finden und am Ende zusammen sein werden, müssen Joseph Gordon-Levitt und Zooey Deschanel hier ein weitaus komplexeres emotionales Spektrum vermitteln - und dabei absolut überzeugend wirken, denn dieser Film würde sofort in sich zusammenklappen, wenn sich die Gefühle (oder eben ihr Ausbleiben) da auf der Leinwand nicht komplett echt anfühlen würden.

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Was sich hier beobachten lässt, sind zwei ganz außergewöhnliche Vorstellungen, sowohl von Deschanel, deren Summer laut eigenem Postulat nicht an die Liebe glaubt und immer ein Stück weit ein undurchschaubares Rätsel bleibt, da man sie konsequent aus Toms Perspektive betrachtet und er den ganzen Film über damit kämpft zu begreifen, was tatsächlich in ihr vorgeht; als auch Gordon-Levitt, der mit entwaffnender Offenheit das aufgewühlte Gefühlsleben von Tom spürbar macht und den Zuschauer unwiderstehlich mitreißt durch die Höhen und Tiefen der emotionalen Achterbahn, die er im Laufe dieser 500 Tage durchlebt.

Die eigenwillige Erzählstruktur von "(500) Days of Summer" läuft Gefahr, dass der Film immer mehr nachlässt, wenn sich die anfängliche Begeisterung über die unkonventionelle Form gesetzt hat und die längst abzusehende Entwicklung der Geschichte ihren Tribut in Form eines stetig absinkenden Spannungsbogens fordert. Dem kann sich der Film zwar nicht ganz entziehen, findet aber erfreulicherweise immer wieder einfallsreiche und interessante Wege, um seine Erzählung punktuell aufzufrischen, und verdient sich so den Stempel "witzig und originell" tatsächlich bis zur letzten Filmminute.

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Der herrlich kurzweilige und unterhaltsame Fluss des Films wird dabei unterstützt von einem großartig ausgewählten Soundtrack, der in bester Indie-Manier allzu bekannte Künstler und allzu eingängige Mainstream-Melodien umgeht, während er perfekt die emotionale Stimmung der jeweiligen Szene einfängt - wie zuletzt bei "Juno" denkt man hier gleich nach dem Kinobesuch schon an den CD-Kauf.

Apropos "Juno": Genau wie dieser erwies sich "(500) Days of Summer" als veritabler Überraschungs-Independent-Hit (wenn auch auf deutlich bescheidenerem Niveau). Für schmale 7,5 Millionen Dollar produziert, spielte der Film in den USA über 30 Millionen ein. Ein stolzes Ergebnis, und sicher auch der Tatsache zu verdanken, dass "(500) Days of Summer" trotz allem augenscheinlichen Zynismus und aller zur Schau gestellten Nicht-Liebesfilm-Attitüde am Schluss doch genau das ist: Ein Liebesfilm, sowohl mit hoffnungsfrohem Ende und Glaube an Romantik und Schicksalsfügung, als auch ein echtes Stück Feel-Good-Kino.

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